Never again is now

„Nie Wieder – Ist jetzt!“ | Online-Event

Das Online-Event “Nie Wieder – Ist jetzt!  Zum Gedenken an die Reichspogromnacht und das Pogrom der Hamas fand unter großer Beteiligung in Tübingen statt.

Vor Ort waren rund 200 Teilnehmer. Online beteiligten sich zusätzlich rund 1000 Personen und machten das Event so zu einem sichtbaren Zeichen gegen Antisemitismus.

Der Abend lenkte die Aufmerksamkeit auf zwei Ereignisse, die durch die Geschichte auf tragische Art und Weise miteinander verbunden sind. Zum einen erinnerte das Event an die Reichspogromnacht, am 9. November 1938. Synagogen wurden in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte zerstört, tausende Juden misshandelt und in Konzentrationslagern inhaftiert und ermordet. Die Reaktion in Deutschland und weltweit war damals oft von Schweigen und Gleichgültigkeit geprägt. Sechs Jahre später waren durch die Hände der Deutschen sechs Millionen Juden in Europa ermordet worden.

Zum anderen erinnerte die Veranstaltung an den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel. Dabei wurden 1400 Israelis auf brutalste Art und Weise ermordet und ganze Kibbuzim niedergebrannt. Über 240 Menschen, darunter viele Kinder, Frauen und ältere Menschen, befinden sich bis heute im Gazastreifen in Geiselhaft. Die Veranstaltung stellte die drängende Frage nach unserer Reaktion auf diese Gewaltakte und den fortwährenden Antisemitismus: Sind wir bereit, uns aktiv für Israel und jüdisches Leben einzusetzen, und welche Maßnahmen sind wir bereit zu ergreifen, um uns dem Antisemitismus zu jeder Zeit entschieden und öffentlich entgegenzustellen?

Jobst Bittner, Gründer und Präsident des Marsch des Lebens, eröffnete den Abend und betonte die beispiellose Barbarei des Hamas-Terrors am 7. Oktober. An diesem Tag wurden mehr Juden getötet als je zuvor seit dem Holocaust. Er wies außerdem auf die weltweite Zunahme des Antisemitismus hin: „Millionen Menschen versammeln sich den Hauptstädten der Welt unter palästinischer Fahne und skandieren „Free Palastine“ – oder proklamieren ein freies Palästina „from the river to the sea“. Das sind Slogans, die schon längst zu einem totalitären Vernichtungsaufruf Israels geworden sind.“

Tirza Halivni, Holocaustüberlebende und Ehrengast, erzählte von ihren Erinnerungen an die Reichspogromnacht: „Bei der Reichspogromnacht war ich vier Jahre alt. Ich erinnere mich wie heute, dass mein Vater fast totgeschlagen wurd. Später starb er in Dachau an den Misshandlungen. Heute bin ich 89. Beim Überfall der Hamas habe ich die Reichspogromnacht erneut durchlebt als wäre ich wieder dieses vierjährige Kind.“ 

Ein Lied mit dem Titel “Nachamu Ami („Tröstet mein Volk“) wurde anschließend zu Ehren von Tirza Halivni und im Gedenken an die Opfer des Hamas-Angriffs gesungen.

Natalie Sandadji und Matty Danzig überlebten das Pogrom der Hamas-Terroristen. Natalie berichtete, wie sie als Besucherin des Nova Festivals eine der wenigen war, denen die Flucht gelang. Vier Stunden rannten sie mit ein paar anderen jungen Frauen durch die Wüste. Als sie erschöpft Pause machen mussten, kam ein weißer Pick-Up entgegen. Sie rechneten damit, nun doch erschossen zu werden. Doch der Fahrer war auf der Suche nach Überlebenden, die er in die nächste Ortschaft in Sicherheit bringen konnte. Matty Danzig sprach darüber, wie er den Tag des Hamas-Pogroms in großer Angst mit seinen Kindern im Bunker verbrachte und einer der wenigen Überlebenden in seinem Kibbuz ist: “Ich schaute meine Frau und meine 2 kleinen Töchter an und wusste, sie gehen von Haus zu Haus und wir hörten die Schüsse. Wir saßen acht Stunden dort und jede Minute fühlte sich an wie eine Ewigkeit. In dem Kibbuz gibt es 365 Häuser und 6 Häuser wurden verschont – wir wissen nicht warum, aber wir sind dankbar!”

Sein Vater, Alexander, ist selbst Holocaustüberlebender und bleibt bis heute als Geisel in Gaza gefangen.

Anschließend erzählte die Knessetabgeordnete Sharren Haskell ihre eigenen Familiengeschichte. Ihre Großmutter erlebte die Reichspogromnacht in Leipzig, und ihr Großvater überlebte Auschwitz. Sie betonte die Bedeutung der politischen Maßnahmen zur Befreiung der Geiseln im Gazastreifen.

Arthur Maserjian, Chief of Staff beim Combat Antisemitism Movement, sprach über die weltweite Explosion des Antisemitismus: “Überall werden Synagogen angegriffen. Es bleibt nicht im Nahen Osten, sondern auch an den Eliteuniversitäten in den USA bricht erschreckend stark Antisemitismus auf. Die jüdischen Studenten haben Angst und gehen gar nicht mehr aus dem Haus.” Er forderte deshalb dazu auf, sich klar und öffentlich gegen diesen wachsenden Antisemitismus zu positionieren und die Stimme zu erheben.

Die Berichte der Länder-Direktoren des Marsch des Lebens, die weltweit für Israel auf die Straße gehen sowie persönliche Geschichten von Menschen, die aufgrund der Verstrickung ihrer eigenen Familie die die Gräueltaten der Nationalsozialisten und das darin begründete Erheben der Stimme für Israel und gegen Antisemitismus, waren ebenfalls von großer Bedeutung. „Es ist nicht genug, „Nie wieder” zum Holocaust zu sagen, wenn wir verhindern wollen, dass Judenhass in Gewalt übergeht und antisemitische Diffamierungen sich weiter ausbreiten. Wir können in der heutigen Zeit wieder Mitläufer sein und wie unsere Vorfahren durch unser Schweigen schuldig werden.”, sagte Jobst Bittner. Der Weg sei die Aufarbeitung der Familiengeschichte. Das betonte auch Rapper Samuel Haas, der als junger Erwachsener selbst Antisemit war und Hasstexte gerappt hat, bis er erkannte, dass der Antisemitismus seiner Vorfahren in ihm weiter lebte. Sein neues Lied „Nicht allein“ ist ein Statement der Solidarität mit Israel und eine Ermutigung an Juden weltweit, die sich alleingelassen fühlen. 

Zum Abschluss riefen Jobst Bittner und Heinz Reuss, der internationale Direktor von Marsch des Lebens, alle Zuschauer mit konkreten Schritten dazu auf, selbst aktiv zu werden.

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