„Es ist dringend!“ Die 7. internationale Marsch des Lebens Konferenz ruft auf, gemeinsam dem Antisemitismus entgegenzutreten
In hybridform fand dieses Jahr wieder die Marsch des Lebens Konferenz mit zahlreichen Organisatoren und Unterstützern aus unterschiedlichen Ländern statt. Beim Highlight der Konferenz, dem Abend zu Ehren Israels mit der bekannten Holocaustüberlebenden und Schriftstellerin Roma Ligocka aus Polen, der Knessetabgeordneten Ruth Wasserstein Lande, Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sowie dem Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg Dr. Michael Blume, waren mehr als 4.000 Teilnehmer aus 28 Nationen zugeschaltet.
Antonio Rozzini führte am Freitagabend in die Geschichte der italienischen Juden und des dortigen Antisemitismus ein. Er erwähnte dabei, dass in Rom die älteste Synagoge weltweit existiert, aber aus Italien auch der Faschismus sowie der kirchliche Antisemitismus stammen. Im weiteren Verlauf des Abends war Andrej Mischenko, Direktor des Marsch des Lebens in der Ukraine, zugeschaltet, um von der momentanen Situation in seinem Land zu berichten.
Am Samstagnachmittag wurde gemeinsam mit dem „Combat Antisemitism Movement“ (CAM) auf die zahlreichen Holocaust-Relativierungen bei Corona-Demonstrationen aufmerksam gemacht. „Nichts in der heutigen Situation kann mit diesem industriellen Massenmord von sechs Millionen Juden und Millionen von anderen durch die Nazis verglichen werden. Diese Form der Trivialisierung ist eine Beleidigung gegenüber der Opfer, die heute keine eigene Stimme mehr haben und auch gegenüber der Überlebenden. Es zeigt ein völliges Unwissen über den Holocaust“, sagte Arthur Masijeran, Programmdirektor von CAM.
Bezüglich der weltweiten Problematik mit Antisemitismus ergänzte Marsch des Lebens Präsident Jobst Bittner: „Wir empfinden eine große Dringlichkeit in dieser Zeit. Es geht nicht nur darum, dass wir in unserem Kontext weiter machen. Sondern Antisemitismus ist so explodiert, dass wir besondere Antworten brauchen und wissen müssen, womit wir es zu tun haben.“ Eine aktuelle Studie des jüdischen Weltkongresses besagt, dass in Deutschland jeder dritte Jugendliche unter 25 Jahren antisemitisch denkt. Bei den Erwachsenen ist es jeder Fünfte. Jobst Bittner bestätigt aus eigner Beobachtung: „Wir merken überall in den Nationen, dass wir an Grenzen kommen: in der Bildungsarbeit, an Schulen, bei der Aufklärung. Diese Grenzen sind auch Grenzen in uns, inwieweit wir bereit sind, etwas mit dem Antisemitismus in uns selbst zu machen“, weshalb der Marsch des Lebens vermehrt internationale Aufarbeitungsseminare anbietet. Diese, sowie die Einführung in die Organisation eines Marsch des Lebens, wurden in einzelnen Zoom-Räumen für alle Interessenten weiter vertieft.
„Ein Abend zu Ehren Israels“
Bei der Präsenzveranstaltung am Abend sprachen Michael Kashi, Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, die zugeschalteten Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg, sowie Ruth Wasserman Lande, Knesset Abgeordnete und Mitglied des Christian Allies Caucus, ihren Dank gegenüber dem Engagement der Marsch des Lebens Bewegung aus. Boris Palmer erwähnte in seinem Grußwort zwei antisemitische Ereignisse in Tübingen, die ihn nachdenklich machten: Die Rufe nach einem Palästina vom Jordan bis zum Meer („wo soll dort noch Platz für Israel sein?“), sowie „Palmer verrecke“ Rufe vor seiner Haustür, die ihn an die „Jude verrecke“ Rufe aus der NS-Zeit erinnerten.
Zentraler Aspekt der Abendveranstaltung war die Lebensgeschichte der Holocaustüberlebenden und Autorin des Buchs „Das Mädchen im roten Mantel“ Roma Ligocka. Roma wurde 1938 in Krakau geboren. Sie überlebte das Ghetto und konnte sich zwei Jahre lang bei einer polnischen Familie verstecken. Im Film „Schindlers Liste“ sah sie sich als das Mädchen im roten Mantel wieder und veröffentlichte ihre Lebensgeschichte im Jahr 2000 als Buch.
Zum Abschluss der Konferenz rief Heinz Reuss, internationaler Direktor des Marsch des Lebens, dazu auf, sich an den diesjährigen Märschen des Lebens rund um Jom haSchoa (28.04.2022) mit dem Motto „Mit Herz und zu Fuß“ zu beteiligen oder auch in seiner eigenen Stadt einen Marsch zu veranstalten. Gemeinsam mit dem europäischen Direktor des March of the Living Michel Gourary gab er die Kooperation zwischen „March of the Living“ und „Marsch des Lebens“ für den Jom haSchoa Marsch in Berlin am 27.04.2022 bekannt.