„Nein“ zu Antisemitismus in Finnland

Der Marsch des Lebens in Turku, Finnland

Am 18. August 2018 fand der erste Marsch des Lebens in der südfinnischen Stadt Turku statt. Über 200 Marschteilnehmer liefen mit weiß-blauen Israel- und Finnlandfahnen von der jüdischen Synagoge durch die Innenstadt, um ihre Liebe und Unterstützung zum jüdischen Volk und dem Staat Israel zum Ausdruck zu bringen. Vor dem Dom in Turku, der Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Kirche Finnlands, wurde ein Auszug der „Independence Day Deklaration“, die am 15.05.2018 beim March of the Nations in Jerusalem verabschiedet wurde, vorgelesen und damit bekannt, dass Christen schon seit Jahrtausenden gegen Juden gepredigt haben und der Antisemitismus in den Herzen vieler Christen bis heute weiterlebt.

„Mein Wunsch ist, dass diese kleine Flamme unserer Stimme gegen Antisemitismus ein großes Feuer in ganz Finnland anzündet“, so die Organisatorin Maarit Vigren auf dem Marsch des Lebens in Turku, Finnland. Dan Portnoj, Mitglied der jüdischen Gemeinde zu Turku, bekräftigte bei der Abschlussveranstaltung, dass der Marsch des Lebens in Turku dringend notwendig war, da Antisemitismus in den letzten Jahren in der Stadt deutlich zugenommen habe. Ein sichtbares Zeichen dafür war u.a. ein Neonazi-Aufmarsch, der am gleichen Tag in Turku durchgeführt wurde. Maarit Vigren erklärte, dass Antisemitismus sich oft auch in Gleichgültigkeit und Schweigen ausdrücke, und bat als Bürgerin der Stadt Turku dafür um Vergebung, dass durch ihr eigenes Schweigen Judenfeindlichkeit in ihrer Umgebung zunehmen konnte.

Zwei deutsche Teilnehmer berichteten, wie die Wehrmacht und SS-Einheiten 1942 nach Finnland kamen, „um jüdisches Leben auszurotten und das Land für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen.“ Trotz der sogenannten „Waffenbruderschaft“ zwischen Finnland und Deutschland seien die Soldaten nicht als Freunde gekommen: „Sie kamen in Zuge eines Vernichtungskriegs. Die Verbrennung der finnischen Städte und Dörfer nach der Auflösung des Bündnisses haben das wahre Gesicht der deutschen Truppen gezeigt.“ Viele Teilnehmer zeigten sich von diesen Aussage sehr bewegt, da sie zum ersten Mal hörten, wie Deutsche über diese Geschichte sprachen und ihrem tiefen Bedauern darüber Ausdruck verliehen.
Paula Karppanen, Koordinatorin des Marsch des Lebens Finnland, erzählte von ihrem Großvater, der zur Kriegszeit im Hauptquartier der finnischen Streitkräfte tätig gewesen war, und bat um Vergebung dafür, dass die Finnen der jüdischen Bevölkerung in ihrer Not nicht geholfen haben: „Heute müssen wir über diese Vergangenheit sprechen, Verantwortung dafür nehmen und gegen aktuellen Antisemitismus aufstehen.“

Der israelische Botschafter Finnlands, Dov Segev-Steinberg, bedankte sich herzlich, als er vom Marsch des Lebens in Turku erfuhr. Teilnehmer des Marsches aus verschiedenen Regionen Finnlands waren sich einig, dass Märsche des Lebens auch in ihren Städten notwendig sind. Das Buch „Decke des Schweigens“, das von Marsch des Lebens Initiator Jobst Bittner geschrieben wurde und die Grundlagen der persönlichen Aufarbeitung, sowie die Anfänge der Bewegung erklärt, wird im Oktober 2018 auf Finnisch erscheinen – eine Chance für viele Finnen, ihre Familien- und Stadtgeschichte aufzuarbeiten.

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